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"Der Verein bildet bei uns den wesentlichen Kern des Sports"

| Allgemein (LSB)
Dr. Christoph Niessen (Vorstandsvorsitzender LSB NRW) und Bernhard Schwank (Abteilungsleiter „Sport und Ehrenamt“ in der Staatskanzlei)

Am 3. Februar wurde in Recklinghausen auf der LSB-Mitgliederversammlung die Zielvereinbarung „Nr. 1: Sportland NRW“ besiegelt - richtungsweisend für die kommenden Jahre. Im Interview: Bernhard Schwank, Abteilungsleiter „Sport und Ehrenamt“ in der Staatskanzlei, und LSB-Vorstandsvorsitzender Dr. Christoph Niessen. Beiden waren federführend an der Gestaltung des Vertragswerks beteiligt.

Sondierungs- und Koalitionsgespräche ziehen sich ja in der Politik mittlerweile über Monate. Wie war das bei Ihren Verhandlungen?

Bernhard Schwank: Es wurde nicht zäh gerungen, aber wir haben uns sehr intensiv mit den Themen beschäftigt und  natürlich kontrovers diskutiert. Letztendlich wurde ein ideales Ergebnis für die Zusammenarbeit zwischen Sport und Land erreicht. Das gegenseitige Verständnis ist dabei noch einmal deutlich geschärft worden.

Dr. Christoph Niessen: Die entscheidende Weiterentwicklung gegenüber früher ist die: Wir haben zum ersten Mal klare, überprüfbare Ziele formuliert. Finanzielle Planungssicherheit ist das eine – und wir sind froh, dass wir diese erreicht haben. Darüber hinaus wurden aber sehr konkret elf Handlungsfelder identifiziert. Diese bilden die gesamte Breite des organisierten Sports in NRW ab.

Die zentrale Frage lautet natürlich: Wie profitieren die Sportvereine von dem neuen 42 Millionen-Euro-Vertrag? Was kommt an der Basis an?

Schwank: Unabhängig davon, welches Themenfeld wir greifen: Von dem Geld profitieren die Sportvereine unmittelbar und mittelbar. Beispiele für direkte Unterstützung sind: Die Übungsleiterförderung kommt unmittelbar an, bei der Projektförderung  1.000x1.000 Euro ist es genauso. Auch bei der Unterstützung der Talente verhält es sich so…

Dr. Niessen:
Die direkten Zuwendungen an die Vereine wurden im Vergleich zum Jahr 2014 bereits um über drei Millionen auf über zehn Millionen Euro gesteigert. Das ist ein großer Erfolg! Aber wir dürfen den Fokus nicht nur darauf richten, was direkt in der Vereinskasse landet. Es geht zum Beispiel auch um die rund 140 Fachkräfte „Ganztag“ und „Integration“, die vor Ort arbeiten und über die Zielvereinbarung finanziell abgesichert sind. Wir haben hier ein flächendeckendes Netzwerk, das die Vereine landesweit in ihrer täglichen Arbeit unterstützt. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Vereinsentwicklung.

Warum ist aus Sicht des Staates die Vereinsentwicklung so wichtig, Herr Schwank?

Schwank: Der Verein bildet bei uns den wesentlichen Kern des Sports – ganz praktisch. Dort gehen die Kinder in die Übungsstunde, dort trainieren die Jugendlichen, die Älteren finden Geselligkeit und Bewegung. Es gibt Angebote rund um Inklusion und Integration. Nur der Sportverein bildet diese Angebotsvielfalt ab.

Oft wird die Bürokratisierung im Sport kritisiert. Staatssekretärin Andrea Milz spricht in diesem Zusammenhang von „Entfesselung“. Also dass der Sport von den Fesseln der Bürokratie befreit wird. Wie findet sich das in der Zielvereinbarung?

Schwank: Der Anspruch, möglichst wenig Bürokratie zu erzeugen, steckt hinter allen Förderverfahren. In diesem Geist wurde die Vereinbarung verfasst. Es soll möglichst wenig Aufwand betrieben werden, damit die Gelder vor Ort ankommen. Aber das geht natürlich nicht völlig losgelöst von einer Landeshaushaltsordnung.

Dr. Niessen: Ich stimme zu, in diesem Geist haben wir verhandelt. Für die Vereinsbasis ist zentral, jede Entlastung zu ermöglichen, die denkbar ist. Oft geht es ja um überschaubare Summen. Für einen Vereinszuschuss von 1.000 Euro denselben Maßstab anzulegen wie für eine Verbandsförderung im sechsstelligen Bereich, das ist definitiv unverhältnismäßig. Daher eine kritische Anmerkung: Da differenziert aus meiner Sicht das Zuwendungsrecht zu wenig.

LSB-Präsident Walter Schneeloch hat immer wieder auf die schwierige Lage der Sportstätteninfrastruktur hingewiesen und ein Milliardenprogramm gefordert. Das ist ja auch ein zentrales Thema der Sportentwicklung. Hier scheint in der Vereinbarung nicht der große Wurf gelungen zu sein…

Dr. Niessen: Es ist kein Defizit der Vereinbarung, dass es dazu keine konkreten Zahlen gibt. Sportstättenförderung über Landesmittel, das reicht weit über die Zielvereinbarung hinaus. Das würde ja auch nicht über den Landessportbund NRW abgewickelt. Sondern dafür braucht es ein gesondertes Programm zur Stärkung der Infrastruktur – und das fordern wir nachdrücklich ein!

Schwank: Das Thema ist eine bundesweite Herausforderung und muss angegangen werden. Es gibt in NRW einen Modernisierungsbedarf von ca. zwei Milliarden. Das ist Konsens. Der Koalitionsvertrag hat hier ein klares Signal gesetzt, sich dieses Themas anzunehmen.

Alle Punkte der Vereinbarung sind doch sehr in der NRW-Sportrealität verankert. Bis auf einen, den Punkt 5. Dieser lautet: „Olympische und Paralympische Spiele nach NRW holen.“ Klingt doch eher nach Utopie?

Schwank: Das sehe ich anders: Die olympische Idee steht für  bestimmteWerte, es geht um internationale Begegnung, Leistung und Fair play. Dieser Olympische Gedanke reicht bei uns weit bis in den Breitensport hinein.  Olympia ist in diesem Sinne längst in NRW angekommen. Schauen wir auf die Leistungen unserer NRW-Athleten – wir stellen zum Beispiel immer ein Viertel aller deutschen Olympioniken bei Sommerspielen. Bei sportlichen Großveranstaltungen sind wir vorn. Wenn wir also so ein starkes Sportland sind, dann sind Olympische und Paralympische Spiele hier keine Utopie - im Gegenteil!

Dr. Niessen:
Der Weg ist das Ziel. Dieser Satz passt hier sehr gut. Was ließe sich alles auf dem Weg zu Spielen an Rhein und Ruhr bewegen: Eine Generation von sportbegeisterten Kindern, die das Ziel haben könnten, selbst einmal dabei zu sein im eigenen Land. Eine Bevölkerung, die dieses Ziel begreifen könnte als Chance zur Erhöhung der Lebensqualität, beispielsweise durch Investitionen in die Infrastruktur, durch mehr Schulsport, durch bessere Sportstätten. Die Spiele stehen für eine Idee - und diese hat sich doch gerade wieder bei den Winterspielen bewiesen. Die Begeisterung ist riesig und das wäre sie auch hier bei uns.

Abschließende Frage: Im Jahr 2022, wenn der Vertrag ausläuft, ist NRW weiterhin Sportland Nr. 1, weil…

Schwank und Dr. Niessen (gemeinsam): ..weil wir unsere gemeinsame Zielvereinbarung dann 1:1 umgesetzt haben werden.

Interview: Theo Düttmann, Frank-Michael Rall
Fotos: Andrea Bowinkelmann

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